03. März 2024, Sälen/Mora: Caroline Härtel über ihre Erlebnisse beim 100. Wasalauf

Alles reine Kopfsache

Endlich ist es soweit: Aufgeregt stehen wir, Caro und meine Freundin Ulli, an einem Mittwochmorgen am Busparkplatz in Dresden und warten auf die Abreise zum Wasalauf. Es ist der 100. in der Geschichte des berühmten und wohl beliebtesten Volksskilaufes, der über 90 Kilometer von Sälen nach Mora in der schwedischen Provinz Dalarna führt. Wow, der 100. – und wir sind live dabei!

Ich bin im Gegensatz zu Ulli nicht das erste Mal am Start. Also wusste ich bereits, dass auf jedem Meter der Strecke Geschichte förmlich geatmet wird. Denn der Wasalauf war eine Idee eines Zeitungsredakteurs, der an die historische Flucht von Gustav I. Wasa auf Skiern vor den Soldaten des dänischen Königs Christian II. im Jahr 1521 erinnern sollte. Der schwedische König war damals aus der Gefangenschaft geflohen, ließ sich aber in Sälen überreden, zurückzukehren und den Widerstand gegen das Nachbarland zu leiten. Nach mehr als zwei Jahren Krieg konnte Schweden die Unabhängigkeit von Dänemark erlangen.

So erklärt sich auch der Spruch am Zielbogen, durch den jeder Teilnehmer fährt: „In den Spuren der Väter – für die Siege der Zukunft“ steht da geschrieben. Für die meisten Starter geht es aber nicht um den Sieg, sondern nur um eines: ankommen. Ankommen und an die Grenzen der körperlichen Belastbarkeit gehen, Gleichgesinnte kennenlernen und das Abenteuer in der Natur erleben. Entsprechend hatten wir auch ein paar Fragen und eine Hoffnung, die uns beschäftigen, als wir in den Bus einstiegen: Wie wird das Wetter sein? Welche Schneeverhältnisse werden wir vorfinden? Haben wir einen gut gewachsten Ski? Reicht das Training in diesem schneearmen Winter mit dem 3-Zinnen-Skimarathon (62 km) als Generalprobe aus, um 90 Kilometer durchzuhalten? Und hoffentlich bleiben wir bis zum Start gesund.

Trotz der 24 Stunden im Bus, in der Fähre und erneut im Bus verging die Anreise wie im Flug. Wir sind mit Schulz-Reisen unterwegs gewesen, einem Spezialanbieter. An der Organisation gab es nichts zu nörgeln: An- und Abreise, die Busfahrten am Wettkampftag, das Quartier in Rättvick – alles war prima. Schon der Donnerstagabend, als die feierliche Startnummernübergabe zelebriert wurde, war ein kleiner Höhepunkt. Nun gab es aber auch kein Zurück mehr.

Wer sich für den Wasalauf entscheidet, muss vorher wissen: Für Langschläfer ist das Ereignis nichts. Um 2.30 Uhr startet unser Bus zum Startort Sälen. Alles muss am Vorabend bestens verpackt und griffbereit sein: ein kleines Frühstück, Getränke sowie Riegel und Gels für den Lauf inklusive. Auf der rund zweieinhalbstündigen Fahrt versuchen die meisten Teilnehmer noch ein bisschen zu schlafen. Gegen 5 Uhr kommen wir an. Jetzt heißt es, möglichst schnell mit den Wettkampfskiern zum jeweiligen Start-Tor zu gelangen, um sich einen guten Platz in der Startgruppe zu sichern. Wir haben uns unter den drei Zinnen die Startgruppe 8 von 10 gesichert. Von den traumhaften Schneebedingungen Mitte Januar in den Dolomiten sind wir an diesem ersten März-Wochenende in Schweden aber leider weit entfernt. Es sind knapp über 0 Grad, es regnet leicht und die Loipen sind schon auf der Startwiese ziemlich weich.

Nachdem die Ski am Start liegen, geht es nochmal zurück in den warmen Bus. Etwas essen, trinken, ein bisschen die Aufregung „wegreden“. Um 8 Uhr – kurz nach der körperlichen Massenerwärmung unter den Klängen der Kultband Abba – setzt ein lauter Knall die Meute in Bewegung. Von den über 15.900 Langläufern werden nur rund 13.400 im Ziel ankommen. Die Bedingungen sind wirklich nicht einfach: Ulli und ich haben uns für den Fellski entschieden. Aus ambitionierter Sicht ist das kaum nachvollziehbar. Uns gibt der No-Wachs-Ski mit dem Fell aber ein Gefühl der Sicherheit. Ein viel zu glattes Brett bei nachlassender Kraft in den Armen ist eine Horrorvorstellung für uns. Und vom Wachsen verstehen wir ohnehin nicht so viel… Unterwegs habe ich den Fellski manchmal hinterfragt, wenn ich – leicht bergab – schieben musste, während andere an mir vorbeifahren.

Doch es nicht zu schaffen, hat in unserem Kopf keinen Platz. Ich nehme ein persönliches „Überlebenspäckchen“ in einem kleinen Rucksack mit auf die Strecke. Nur nicht stürzen, heißt die Devise am Startberg. Sonst wird es aussichtslos, wenn die 40 Loipen nach gut einem Kilometer in ein Nadelöhr mit zwei, drei Loipen münden. Immer wieder Stau mit bis zu einer Stunde Wartezeit sind da keine Seltenheit. Ein Problem des diesjährigen Laufes wird aber zunehmend der Pappschnee. Ab der zweiten Verpflegung sind teilweise kaum noch Spuren vorhanden. Das Laufen kostet dadurch natürlich viel mehr Kraft. Die Zeit ist auch für uns im hinteren Drittel nicht ganz unwichtig, da jede Verpflegungsstelle eine definierte Sperrzeit hat. Wer die nicht einhält, kommt in den berühmten Besenwagen, in diesem Fall in einen Bus, der einen zum Ziel nach Mora fährt.

Ulli und ich verlieren uns zwischendurch nur kurz, finden uns wieder zusammen und beißen uns – den äußeren Widrigkeiten mit der einsetzenden Dunkelheit zum Trotz – durch. Überglücklich und natürlich auch geschafft überqueren wir nach 20 Uhr die Ziellinie in Mora. Ein Moment, den wir trotz aller Erschöpfung in vollen Zügen genießen: Wir haben es geschafft, erfolgreiche Teilnahme am 100. Wasalauf – ein absoluter Wahnsinn!

Mit uns freuten sich auch Michael, Arvid, Peter, Patrick, Uwe und Bettina – sechs erfolgreiche Teilnehmer aus unserem Skiklub Niedersedlitz. Die Sieger kamen diesmal mit Torleif Syrstad (3:52:43,7 Stunden) bei den Herren und Vorjahressiegerin Emilie Fleten (4:23:06 h) aus Norwegen. Die besten deutschen Ergebnisse erreichten der Thüringer Thomas Bing (35. in 4:08:41 h) und Franziska Müller (Immenstadt/5:15:41 h) auf Rang 37. Auch der letzte deutsche Langlauf-Weltmeister, Axel Teichmann, schlug sich in 5:03:19 h in den Wäldern von Dalarna als 356. beachtlich.

Zum Schluss noch ein Gedanke zum Aufrappeln: Wer es in diesem Jahr nicht geschafft hat, das Abenteuer Wasalauf zu wagen, auf den wartet 2025 ein neues Jubiläum. Zum 50. Mal jährt sich dann das Meisterstück des Vogtländers Gert-Dietmar Klause, der 1975 als erster Nicht-Skandinavier überhaupt und als bisher einziger Deutscher diesen wohl härtesten Volksskilauf gewonnen hat. Eigentlich ein Grund, schon wieder dabei zu sein. Auch für Dich?

Aufgeschrieben von Caroline Härtel